165 Minuten sehr experimentierfreudiges Kino, das vor schwierigen Themen nicht zurückschreckt – „Kinds of Kindness“ klingt erst einmal irgendwie nicht nach dem Feelgood-Movie, den man sich zur Sommerzeit gern ansieht. Allerdings sollte der Episodenfilm von Regisseur Giorgos Lanthimos trotzdem unbedingt im Kino gesehen werden. Denn neben den herausragenden schauspielerischen Leistungen überzeugt der Film mit einer außergewöhnlichen Erzählstruktur, die in der Filmlandschaft selten zu finden ist.
„Kinds of Kindness“ besteht aus drei unabhängigen Kurzgeschichten, in denen dieselben Schauspieler – Emma Stone, Jesse Plemons, Willem Dafoe und Margaret Qualley – verschiedene Rollen übernehmen. Diese mehrfachen Besetzungen erlauben es den Darstellern, ihre Bandbreite unter Beweis zu stellen, während auch Lanthimos seine Fähigkeiten als Regisseur voll ausspielt. Technisch ist der Film makellos und kombiniert eindrucksvoll emotionale Bilder mit einem bedrohlichen Soundtrack, der die Atmosphäre prägt.
Aber warum „bedrohlich“? Der Titel „Kinds of Kindness“ klingt doch zunächst ganz harmlos, vielleicht sogar freundlich. Tatsächlich aber wäre eine Übersetzung des Titels wie “Arten von Gefälligkeiten” eher zutreffend. In allen drei Geschichten geht es um Machtmissbrauch und Selbstaufgabe in zwischenmenschlichen Beziehungen. Hier werden Gefallen eingefordert, die in selbstzerstörerischen Diensten münden. In der ersten Geschichte weigert sich ein Mann, seinem Boss einen Gefallen zu tun und wird von ihm mit harten Konsequenzen gestraft. Die zweite Geschichte handelt von einem Paar, in dem eine zurückgekehrte Frau ihrem Mann beweisen muss, dass sie noch die alte ist. Und auf der Suche nach einer neuen Heiligen für ihre Sekte erlebt in der dritten Geschichte eine Frau, wie schnell die Sicherheit ihrer Realität bröckelt. Lanthimos verdeutlicht dabei eindrucksvoll, wie leicht der Mensch zum Opfer von Machtmissbrauch werden kann – und wie tief verwurzelt diese Tendenz in unserer Natur ist. Obwohl es in jeder Geschichte einen möglichen Ausweg aus der missbräuchlichen Situation gibt, sind die Charaktere so gefangen in ihren eigenen Zwängen und zwischenmenschlichen Tiefen, dass sie diesen Ausweg nicht sehen können. Das führt zu absurden, dramatischen Entwicklungen und eine beunruhigende Stimmung kommt auf.
Es sei jedoch angemerkt, dass „Kinds of Kindness“ eine sehr lange Laufzeit hat und man sowohl ausgeruht als auch geistig bereit sein sollte, wenn man den Film in seiner vollen Tiefe erleben möchte. Experimentelles Kino ist nicht jedermanns Sache, und einige Szenen sind sehr grafisch und beinhalten Gewaltdarstellungen, Blut und sexuelle Inhalte. Lanthimos zeigt die Abgründe des menschlichen Daseins auf eine sehr direkte Weise, die zart besaitete Zuschauer durchaus herausfordern kann. Dennoch bietet der Film die Möglichkeit, über sich selbst und den eigenen Charakter nachzudenken – eine Reflexion, die „Kinds of Kindness“ zu einem eindrucksvollen Werk macht.